Groovecat

Was hört mein Sitznachbar?

In der U-Bahn in Berlin hat sich Jakob Höflich oft gefragt:  Welche Musik hören all die Menschen hier eigentlich? Gefühlt hat inzwischen jeder zweite Fahrgast in Bus und Bahn den Kopfhörer in sein Smartphone eingestöpselt, um ein ganz individuelles Musikprogramm laufen zu lassen.  Jeder hört für sich. „Das ist doch unglaublich schade“, findet Jakob Höflich.

Der 25-Jährige ist Masterstudent im Studiengang „Music and Creative Industries“ an der Popakademie Mannheim. Aus einem Projektkurs entstand die Idee für Groovecat: Jakob Höflich (25) und seine Kommilitonen Markus Schwarzer (27) und Joshua Weikert (26) wollen mit ihrer ortsbasierten App sichtbar machen,  welche Songs die Menschen um einen herum hören – und sie darüber ins Gespräch bringen.

Die Erfahrungen und Fähigkeiten der Co-Gründer ergänzen sich ideal: Markus Schwarzer hat schon als Labelgründer Musikbusiness-Luft geschnuppert und kümmert sich von den Finanzen bis zu den Verträgen ums Geschäftliche. Jakob Höflich kennt sich dank Wirtschaftskommunikation-Studium in Sachen Öffentlichkeitsarbeit aus und Joshua Weikert ist fürs Technische und die Groovecat-Website zuständig. Die drei waren von ihrer Idee und dem ersten Prototyp so überzeugt, dass sie ihr Praxissemester nutzen, um die App weiterzuentwickeln. Als sie beim MFG-Ideenwettbewerb BW Goes Mobile mit ihrer Einreichung in der Kategorie „Musikevent – geteilt“ zu einem von fünf Gewinnerteams gekürt wurden, war das nicht nur ein kräftiger Motivationsschub, sondern hat den drei Jungunternehmern auch Startkapital verschafft.

Ein bisschen wie Tinder

Ortsbasierte Apps liegen im Trend. Bei der Dating-App Tinder beispielsweise kann man sich anzeigen lassen, welche Nutzer in der Nähe sind. Tatsächlich verfolgt die App Groovecat ein ganz ähnliches Ziel wie Tinder, nämlich die Leute ins Gespräch zu bringen. Eine Verbindung können dabei nur Nutzer herstellen, die beide die App auf ihrem Smartphone installiert haben und über die Ortungsfunktion ihren Standort verraten.

Die App zeigt an, welcher andere Groovecat-Nutzer gerade am nächsten ist und welchen Song er zuletzt gehört hat. Selbstdarsteller haben es dabei schwer: Man kann den angezeigten Song nicht manipulieren; die App zeigt genau den Track an, den ein Nutzer zuletzt gehört hat. Das kann spannend sein oder vielleicht auch peinlich. Doch vor allem ist es authentisch, und damit meist anders als die aufpolierten Profile, die man von seinen Freunden in den großen Onlinenetzwerken wie Facebook oder Instagram zu sehen bekommt.

Geld verdienen mit Gratis-App

Groovecat richtet sich an eine wirtschaftlich attraktive Zielgruppe junger, mobiler und konsumfreudiger Großstädter. Für Nutzer ist die App kostenlos. Geld verdienen wollen Jakob Höflich und seine Mitunternehmer auf andere Weise. Zum einen soll es möglich sein, die gehörten Songs zu kaufen – da winken Provisionen. Wichtiger noch: Musiklabels können auf die Nutzer angepasste Anzeigen schalten.

Außerdem bauen die drei Mannheimer Studenten auf eine Kooperation mit Festivalveranstaltern. Die Idee: Mit dem Ticket bekommen Festivalbesucher einen Link zur Groovecat-App. Der Veranstalter bekommt im Gegenzug Daten zum Musikgeschmack seiner Kunden – das erhöht die Kundenbindung, weil so schon vor und auch nach der eigentlichen Veranstaltung über das Festival geredet wird.

Über solche Kooperationen wollen Höflich, Schwarzer und Weikert auch die für soziale Apps so wichtige kritische Nutzermasse erreichen. Derzeit haben sie an der Popakademie gut 30 motivierte Betatester, die auf Fehler hinweisen. Am meisten störe die Kommilitonen, dass bisher nur die Apple-Angebote iTunes und Apple Music mit der App verbunden sind und nur für Apple-Produkte verfügbar ist. Eine Integration des Streaming-Marktführers Spotify und anderer Unternehmern peile man bis Ende des Jahres an, berichten die Groovecat-Macher. Ohne eine App für Geräte mit Googles Betriebssystem Android werde man auch nicht an den Start gehen.

Mannheim als Gründer-Umfeld

Die Bedingungen, um Groovecat weiterzuentwickeln, seien in Mannheim ideal, so die Unternehmer. Anders als etwa in Berlin herrsche unter Start-Ups vielleicht Konkurrenz – aber eben keine Ellbogenmentalität. Und: Die Förderlandschaft ist im positiven Sinne übersichtlicher. „Man lernt unkompliziert und schnell die relevanten Leute kennen, von der Wirtschaftsförderung oder vom Clustermanagement Musikwirtschaft“, schwärmt Jakob Höflich. Außerdem helfen die zahlreichen Möglichkeiten, sich zu präsentieren und gefördert zu werden. Beim Future Music Camp an der Popakademie  präsentierte das Team seine App, ebenso beim Elevator Pitch BW, wo Groovecat den dritten Platz holte.

Nachdem die drei Jungunternehmer ihre Produktidee im Rahmen von Coachings verfeinert haben, soll Groovecat nun bis Ende Juli für ausgewählte Zielgruppen als Betaversion verfügbar sein. Derzeit suchen die drei Mannheimer Studenten noch einen Interface-Designer, der die App richtig hübsch macht. Damit wollen sie dann auf Labels als potenzielle Werbepartner zugehen, bei Festivalbetreibern wegen Kooperationen vorsprechen – und natürlich Investoren suchen.

Bei der Monetarisierung wird auch der im Rahmen des MFG-Wettbewerbs vermittelte Mentor Marcus Kollross eine wichtige Rolle spielen. Kollross ist beim Jugendsender BigFM Marketingleiter und hat ergo ein Gespür dafür, wie man digitale Musikangebote für eine junge Zielgruppe vermarkten kann. „Unsere Zielgruppe und die von BigFM sind ja recht ähnlich. Da erhoffen wir uns natürlich Synergien“, sagt Jakob Höflich. Außerdem baue man auf Kollross‘ Kontakte unter anderem zu Musiklabels.

Dem Marktstart steht somit nichts mehr im Wege – fast. „Wir müssen ja noch unsere Masterarbeit schreiben“, betont Jakob Höflich. Wir hätten da einen Themenvorschlag: Entwicklung einer ortsbasierten App für Musikfans…